Die Werbung über Influencer hat die Marketing-Welt in den vergangenen Jahren im Sturm genommen. Kaum ein großes Unternehmen, kaum eine Marke setzte nicht auf Partnerschaften mit Youtubern, Instagram-Größen oder sonstigen Multiplikatoren im digitalen Raum. Influencer-Marketing galt als der nächste große Boom der Werbebranche und viele Akteure verdienten viel Geld damit.
Inzwischen jedoch ist der Hype abgekühlt, Werbebudgets gehen zurück und in den Medien wird offen über die Moral des Influencer-Marketings gesprochen. Nicht zuletzt machte Kathy Hummels von sich reden, nachdem sie ihre Arbeit vor Gericht verteidigen musste. Und auch wenn das Model am Schluss vor dem Gesetz siegte, blieb bei vielen ein saurer Beigeschmack. Ist das Influencer-Marketing nun auf dem Weg der Bedeutungslosigkeit? Nein. Aber Werbetreibende haben gelernt, dass es ein Werkzeug ist, welches in den richtigen Händen nützlich sein kann – ansonsten einfach nur Geld kostet.
Psychologisch sind Influencer Gold wert!
Bereits 2018 veröffentlichte die PR-Agentur OSK eine Studie, die die psychologischen Effekte des Influencer-Marketings untersuchte. Dabei untersuchten die Forscher nicht nur einzelne Antworten auf vorgefertigte Fragen, sondern überprüften komplexe Zusammenhänge aus Emotionen, Überzeugungen und Ansichten. Dabei entdeckten sie, dass alle Menschen in einer immer digitaleren Welt vier Dinge suchen: Orientierung, ein Wir-Gefühl, Identität und vor allem eine Pause vom Drang des Perfektionismus.
Zum Beispiel mögen wir Youtuber auch deswegen so gerne, weil wir uns mit ihnen identifizieren können. Sie sind Menschen wie wir, sie haben die gleichen Probleme und machen die gleichen Fehler. Wir fühlen uns mit ihnen verbunden. Und deswegen neigen wir eher dazu, mit ihnen Beziehungen aufzubauen und ihnen Vertrauen zu schenken. Wenn sie Artikel empfehlen, empfinden wir sie wie gute Ratschläge eines Freundes – und nicht wie den Versuch uns Geld aus der Tasche zu ziehen. Damit sind Influencer sogar wertvoller als Testimonials, die als Prominente oft in ganz anderen Sphären leben.
Influencer als Werbebotschafter?
Dennoch ist nicht jeder Influencer für ein Unternehmen oder eine Werbeagentur wertvoll. Vor allem dann, wenn Werbebotschaften oder Unternehmen nicht in das Schema der Influencer passen, verliert Werbung ihre Wirkung. So kann ein Geschichts-Kanal auf Youtube schon Werbung für eine VPN-Software machen, doch die Zuschauer werden verstehen, dass der Youtuber das Produkt nur vorstellt, um Geld zu verdienen.
Die Conversion dieser Werbung wird dementsprechend schlecht ausfallen und könnte im schlimmsten Fall sogar die Marke an sich beschädigen. Stellt jedoch der gleich Youtuber eine kostenpflichtige App vor, mit Geschichts-Freaks passend aufbereitete Videos, Bilder und Texte überall auf der Welt konsumieren können, wird er wohl einige seiner Zuschauer von einem Kauf überzeugen können. Die Werbebotschaft muss also immer auch zum Boten passen.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie mehr Energie und Zeit in die Suche nach passenden Werbeträgern investieren müssen, als sie oft bereit sind.
Der hat zu wenige Views!
Ein großer Fehler von Unternehmen ist zudem, dass sie sich von großen Zahlen blenden lassen. Betrachtet man die beiden Regeln, dass Botschaft und Botschafter zusammenpassen müssen und eine lebendige Community sehr wichtig ist, könnten auch eigentlich kleine Micro- oder sogar Macro-Influencer interessant werden. Diese Influencer sind anders als Kathy Hummels oder Bibi nicht auf der Überholspur der digitalen Autobahn und ziehen in ihrem Windschatten nicht Millionen Fans mit. Vielmehr fahren sie gemütlich auf der rechten Spur und besitzen eine eher überschaubare Fanbase.
Dafür besetzen sie oft Nischen, die ein ganz bestimmtes Publikum anziehen. Und auf dieses Publikum haben diese kleinen Influencer oft einen gewaltigen Einfluss. So könnten diese spezialisierten Multiplikatoren für manche Produkte mehr erreichen, als große Kanäle mit unzähligen Followern. Ein Beispiel? Das Computerspiel „Landwirtschaftssimulator“ gilt heute als das erfolgreichste Spiel aus Deutschland. Diesen Erfolg verdankt es vor allem Hunderter kleiner Youtuber, die wenige, aber sehr enthusiastische Hobby-Landwirte zum Kauf des Spieles motivierten, obwohl die Fachpresse das Spiel nahezu komplett ignorierte. Dafür investierte das Entwicklerstudio nahezu kein Geld in Werbung und verschenkte an die Youtuber einfach kostenlose Kopien des Spiels. Genial, oder?
Influencer brauchen Freiheit
Die Suche nach einem passenden Influencer kann sich also extrem lohnen. Jedoch dürfen Unternehmen auch nicht zu viel von ihnen verlangen. Immerhin sind Influencer eben auch nur Menschen und nur selten professionelle Marketingprofis (sonst wären sie wohl auch keine Influencer). Nur diejenigen Werbepartner, die ihren oft jungen Botschaftern kreative Freiheiten lassen, werden am Ende auch gute Ergebnisse mit ihrer Marketing-Kampagne erfahren. Influencer sind keine Markenbotschafter, keine Testimonials – sondern Menschen, die ihren Freunden Ihr Produkt empfehlen. Die Entlohnung für diese Empfehlung sollte immer fair sein. Diese Tatsache sollte auch vertraglich festgehalten werden, damit es am Ende kein böses Erwachen gibt – für beide Seiten. Dann steht einer erfolgreichen Kampagne nichts im Wege!