Binge Watching: Konsum Non-Stop als Zukunftsmodell?

Binge Watching ist ein Begriff, der in aller Munde ist. Doch den meisten ist nicht einmal klar, was mit dieser Bezeichnung eigentlich gemeint ist. Diese Frage wollen wir gleich vorab klären. Unter Binge Watching versteht man das teils stundenlange Schauen einer Serie. Dabei werden Folgen quasi Non-Stop hintereinander angeschaut, bis die Staffel oder Serie zu Ende ist oder aber man selbst wieder vom realen Leben eingeholt wird. Handelt es sich hierbei um ein Zukunftsmodell? Wie hat das Binge Watching unseren Umgang mit Medien (vor allem Serien) verändert?

Eines können wir gleich vorwegnehmen: das Binge Watching hat sich nicht etwa zufällig entwickelt. Streaming-Dienste wie Netflix, Amazon Prime Video & Co. haben die Entstehung des Konsumexzess‘ mithilfe intelligenter Mechanismen gezielt begünstig. Endet eine Folge einer Serie, wird die nächste meist in Sekundenschnelle ohne Weiteres zutun gestartet. Der Zeitraum zwischen den Folgen ist derart kurz, dass man kaum zur Fernbedienung greifen kann.

Warum wir binge watchen

Auf der anderen Seite ist das Binge Watching das Ergebnis aus dem Zusammenspiel zweier Dinge: einerseits endet eine Folge mit einem Cliffhanger, andererseits wollen wir sofort wissen, wie es weitergeht. Die (instinktive) Neugierde möchte schlichtweg gestillt werden. Doch auch die sozialen Netzwerke leisten ihren Teil zur Manifestierung des Binge Watching. So besteht bei vielen Menschen die Befürchtung, online „gespoilert“ zu werden, was den Spaß am Weiterschauen nehmen würde.

Spoiler verraten beispielsweise, welche Charaktere einer Serie sterben werden oder wie ein bestimmter Handlungsstrang ausgegangen ist. Sie verbreiten sich im Internet, vor allem aber auf den sozialen Medien, wie ein Lauffeuer. Memes oder Bilder überschwemmen das Netz und verraten die Geschehnisse, bevor man selbst die Folge sehen konnte, in der das Gespoilte passieren würde. Einzig logische Präventionsmaßnahme: Binge Watching. Der erste sein, der weiß, was passieren wird.

„Melde mich, sobald ich die Serien durchgeschaut habe.“

Durch das Binge Watching, was im Übrigen aus dem Englischen von „binge“, also „Gelage“ abstammt, behalten wir laut Forschern der University of Melbourne allerdings viel weniger Informationen im Gedächtnis, als es beim „normalen“ Konsumverhalten der Fall wäre. Probanden, welche im Rahmen eines Serienmarathons gleich alle Folgen hintereinander anschauten, konnten sich zwar 24 Stunden danach noch besser an die Folgen erinnern als die Probanden, die wöchentlich nur eine Folge schauten, doch nach 140 Tagen ergab sich ein vollkommen anderes Bild. So konnten sich die regulären Serienzuschauer wesentlich besser an die Inhalte erinnern, als es bei den Binge-Watchern der Fall war.

Diese Studie lässt folgenden Rückschluss zu: nehmen wir Informationen dosiert auf, anstatt sie maßlos auf uns einregnen zu lassen, können wir sie deutlich besser im Langzeitgedächtnis behalten. Bezieht man diese Erkenntnis auf das Bildungssystem, liegt Folgendes nahe: das sogenannte „Bolemie-Lernen“ ist zwar effektiv, wenn es darum geht, sich Dinge kurzfristig zu merken, beschert jedoch langfristig wenig bleibendes Wissen.

Binge Watching: Zukunftsmodell oder nicht?

Zumindest mittelfristig scheint der Binge Watching Trend ungebrochen. Regelmäßig werden wir von den Streamingdiensten mit neuem „Futter“ versorgt, was den Non-Stop-Medienkonsum aufrechterhält. Ob sich dieses Zukunftsmodell gegenüber konventionellem Medienkonsum wie etwa dem Fernsehen tatsächlich durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Vermutlich wird es dazu eher nicht kommen, da das Binge Watching einerseits sehr zeitintensiv ist, andererseits zu einer sehr einseitigen Beschäftigung werden kann. Problematisch ist auch, dass durch den Medienkonsum von Videoinhalten kaum andere Aktivitäten gleichzeitig durchgeführt werden können. Führen wir hier Podcasts als Alternative an, wird schnell klar, wo das tatsächliche Potential endlosen Serien- bzw. Folgenkonsums liegt: in der Kombination mit alltäglichen Aufgaben.